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I beleaf

Wenn ich meine letzten Wochen in Capernwray beschreiben müsste und dafür nur ein Wort benutzten dürfte dann wäre es wohl leaf. Beziehungsweise leafes oder um genau zu sein ganz viele leafes.

So viele, dass man ohne Probleme den ganzen Tag damit verbringen kann um einmal unser ganzes Grundstück zu "entlauben".

Wenn man dann abends erschöpft und ausgekühlt seinen Arbeitstag beendet ist von dem was man den Tag über geleistet hat jedoch bereits nicht mehr viel zu sehen. Die Bäume sind einfach schneller. Das ist der Grund warum man die gleiche Arbeit dann am nächsten Tag wieder erledigt uns so vergehen Tage, sogar ganze Wochen.  Und die Bäume werden zumindest gefühlt einfach nicht leerer. 

Unterstützt werden wir bei unserer arbeit von zwei  Leafblowern. Das lustige ist, dass in Deutschland ja gerade mal wieder heftig darüber diskutiert wird ob leafblower verboten werden sollen oder nicht. Darüber das Sie für die Umwelt nicht gerade das beste sind kann schon gesprochen werden. Ob man sie verbieten sollte weiß ich nicht aber ich weiß, dass unsere Arbeit hier ohne Leafblower unmöglich wäre. Eine dementsprechend gute Beziehung haben wir zu ihnen. Klara sei dank tragen sie inzwischen die Namen Dexter und Andi. Das lustige ist das diese Namen dabei sind sich inzwischen auch bei den Leuten die hier schon seit gefühlten Ewigkeiten arbeiten zu etablieren. 

Wenn man den ganzen Tag mit Leafes arbeitet hat man genug Zeit die volle Palette von Wortspielen wie "I beleaf" bis zu "leaf me alone" abzuarbeiten. 

Man hat aber auch viel Zeit dazu um über das was man gerade eigentlich so macht nachzudenken. Und so haben wir irgendwann alle realisiert  was für ein riesiges Privileg es eigentlich ist diese Arbeit die auf den ersten Blick vielleicht als lästig erscheinen mag zu erledigen. Schließlich haben uns die Blätter die jetzt auf dem Boden liegen das ganze Jahr über mit Sauerstoff versorgt und dabei einen mega JO GELEISTET. Wir erweisen ihnen dafür im Gegenzug jetzt quasi die letzte Ehre - und fahren sie auf den Kompost;). 

Ich genieße es jedes mal sehr, wenn es eine Aufgabe draußen in der Natur zu erledigen gibt. Auch wenn das hier meistens mit viel Regen und kälte verbunden ist. Aber dagegen gibt es ja zum  Glück die richtigen Klamotten. 

Einmal die Woche freitags arbeiten wir mit unserem Gärtner Steve zusammen. Er ist 60 Jahre alt, weiß unglaublich viel und hat immer total viel zu erzählen. Die restlichen 6 Tage der Woche arbeitet er für die Kirche und betreibt Missionsarbeit. Das was er erzählt darf man nicht immer zu ernst nehmen und über den Glauben hat er eine sehr direkte unerschrockene Meinung. Typisch Englisch eben. 

Ein Beispiel:
Als ich einmal über die Arbeit die in seiner nächsten Woche für ihn anstehen wird gefragt habe hat er mir von einer frau erzählt, deren Sohn nicht gläubig war und mit ca. 30 Jahren verstorben ist. Die Frau habe ihn darum gebeten ihr zu erklären was jetzt mit ihrem Sohn passiert. Also - hat Steve gemeint - wird eine Aufgabe seiner nächsten Woche darin bestehen der Frau klar zu machen, dass ihr Sohn jetzt in der Hölle ist. 

Ich habe das ganze erst für einen seiner Scherze gehalten - für ihn war es aber aber eine ernst gemeinte Aufgabe der Frau das genau so in seiner direkten Art zu erzählen. 

Das ganze hat mich im Nachhinein noch beschäftigt. Ich halte definitiv nichts von irgendwelchen Geschichten nach denen man sich mit Geld aus einem Fegefeuer frei kaufen könnte. Ich glaube an einen Gott der Liebe aber muss das bedeuten, dass am Ende wirklich jedem die Sünden vergeben werden? Denken wir manchmal das unser Gott zu gut sei und vergessen dabei mit welchen manchmal schwer zu begreifen harten Mitteln Gott in der Bibel gegen ungläubige vorgegangen ist? Gibt es wirklich so etwas wie eine Hölle oder ist sie einfach nur ein Bild für die Abwesenheit Gottes so wie die Dunkelheit streng genommen nicht existiert sondern die Abwesenheit des Lichtes beschreibt? 


Johannes 14 liefert für mich schließlich die Antwort. Einblenden

Die Freitage mit Steve und seiner direkten Englischen Art sind definitiv eines meiner Wochenhighlights. Außerdem versucht er Woche für Woche meine definitiv vorhandene Bildungslücke in Geschichte zu füllen. Von der Schlacht von Waterloo bis zum englischen Reich oder irgendwelchen Deutschen Kaisern wiederholen sich seine Geschichten Freitag für Freitag. 

Seine Arbeit als Gärtner liebt Steve wie er mir verraten hat deshalb so, weil er sie ihn jedes mal an das wofür er die restlichen Tage der Woche arbeitet erinnert und dazu ermutigt. Er kann sich einfach nichts anderes vorstellen, als das die Natur in ihrer komplexen Art und Weise von einem Schöpfer geschaffen wurde. Ein bei regen und kälte auch für mich immer wieder sehr motivierender Gedanke. 

Ein weiterer Grund warum mir die Arbeit draußen im Freien so viel Spaß macht ist, weil sie für uns im MAintenance Team oft eine der wenigen Möglichkeiten ist wirklich zusammen zu arbeiten. Jedem von uns ist grundsätzlich ein Aufgabenbereich zugeteilt. Für mich bedeutet das meistens repair slips bearbeiten oder länger geplante Reperaturen durchzuführen. Für Even bedeutet es viele Temperatur und Druckwerte im Wasser und Heizungssystem zu kontrollieren oder office Jobs zu erledigen und Klara hilft an ihren drei Maintenance Tagen an vielen Stellen mit oder arbeitet im Garten. Aber wenn es um Leafblowen oder Rasenmähen geht dann hilft oft nur geballte MAintenance Power und das macht immer super viel Spaß.

Das Maintenance volunteer Team (aber auch das gesammte Volunteer Team) ist einfach super und wir puschen uns alle gegenseitig durch Arbeitstage die manchmal auch sehr hart uns schier endlos sein können. 

Es ist unglaublich welchen unterschied es machen kann wenn man zusammen als Einheit die richtige Motivation findet und den Sinn in der Arbeit die man leistet erkennen kann. 

 

Für Even und Klara aber auch das gesammte Volunteer Team oder einfach jeden der hier Arbeitet bin ich unglaublich dankbar. Am Ende arbeiten wir hier alle - und Arbeit ist eben manchmal auch anstrengend, erschöpfend oder Nervtötend wenn man einen schlechten Tag hat an dem Dinge einfach nicht funktionieren wollen. Und solch einen Tag hat jeder mal - auch in Capernwray:) 

 

Schon das Lächeln des anderen kann einen an einem solchen Tag dann motivieren. Das beiläufig vom anderen gerufene "Good Job" kann unglaublich aufbauen wenn man am dritten auszutauschenden Toilettensitz des Tages verzweifelt. Die gute Laune des anderen erinnert einen zurück an das Privileg diese Arbeit ausführen zu dürfen. Und manchmal tut es auch einfach gut im Staff raum mit anderen darüber zu jammern wie müde man gerade ist und sich vorzustellen wieder ins Bett zu gehen.